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Pendeln und die Gefühle fahren Achterbahn

  • Autorenbild: Andrea
    Andrea
  • 26. Mai 2024
  • 4 Min. Lesezeit

Muss der mir jetzt wirklich so nahe vor den Füssen stehenbleiben?

Boah neh... der kommt jetzt aber nicht einen halben Schritt zurück.

Schau, schau, so schleichend. Ja, denkst wohl, ich merke es nicht, oder zeigst du mir so, dass ich deinen Morgenplatz geklaut habe? Wie viel Miete kostet so ein Stehplatz an den Zuggleisen? Das würde mich doch schon sehr wundernehmen.


Mal ernsthaft, sind wir so grosse Gewohnheitsmenschen, dass wir nicht über unsere selbstgesetzten Alltagsgrenzen hinaus sehen können? Egal wessen Grenzen das sind! Deine oder meine!


Morgens sind viele Menschen müde, schauen grummelig in die Welt, wobei nur wenige lächeln. Die meisten schauen in ihr Smartphone. Und ja, früher war‘s der gesenkte Kopf in die Zeitung beim Warten auf die Kutsche.


Erste Pendlergefühle kommen hoch.


Im Zug angekommen geht die Parkplatzsuche los. Schweizer Regeln? Oh ja, wehe die werden nicht eingehalten. Chemie lässt grüssen. Zuerst eine Person pro vierer Abteil, dann wird jedes Abteil mit einer weiteren Person aufgefüllt usw. Und wenn‘s dann mal wirklich so weit kommt, dass der Zug voll ist, geht die Achterbahnfahrt der Gefühle erst richtig los.


Darf ich? Auf diese Frage kommen unterschiedliche Reaktionen. Grosse Augen und das Zucken der Lippen nach oben links oder rechts ist die häufigste Reaktion. Dann wird laut ausgeatmet und das Gepäck auf dem Wunschsitz in Zeeeeeiiiitlupppppeeeee weeeeg genooooommen. Fast matrixtauglich, einfach ohne Schwung nach hinten.

Eines nach dem andern. Multitasking, womit ein paar Minuten zuvor noch geprahlt wurde, geht auf einmal nicht mehr.


Einmal flippte ein Herr aus und gab mir klar zu verstehen, dass er ja schliesslich den Platz brauche, um die Zeitung auf dem Tisch zu lesen. Ausgebreitet auf zwei Plätze versteht sich.


Kurz bevor der Zug sich in Bewegung setzte, schaute ein älterer Herr auf dem Bahnsteig suchend durch die Zugfenster.

Da! Er hatte die Person gefunden.

Mit einem Lächeln im Gesicht schaute er direkt wieder verlegen zur Seite und schweifte seinen Blick nach oben, unten, links und rechts. Für ihn musste sich diese Zeit ewig lange angefühlt haben.

Der Zug ruckelte und setzte sich in Bewegung.

Zack, sein Blick schwenkte zurück in den Zug, er lächelte wieder und winkte dabei.


„Sehr geehrte Damen und Herren. Willkommen im Zug nach Zürich. Die Situation mit den Toiletten ist etwas angespannt. In den Wagons eins bis vier hat es funktionierende Toiletten. Das ist in der ersten Klasse und im Restaurant. Wir bitten Sie um Entschuldigung.“

Ein Grinsen geht durch die Sitzreihen. Ha ha.. ja genau, nur in der ersten Klasse.


Im IC, in welchem etwas länger gesessen wird, klappen so manche Menschen ihren Laptop auf, um etwas zu arbeiten oder beschäftigt zu wirken.

Ich gehöre auch dazu und nutze meine Zeit im Zug, um an meinen Texten zu schreiben.

Des Öfteren kommt es dabei vor, dass ich mich in einem Viererabteil direkt jemandem gegenüber hinsetzte. Am Fenster, an einen Tisch. Oft bekomme ich verwirrte Blicke, wenn ich mich nicht diagonal hinsetze. Am Tisch angekommen, zücke ich meinen Laptop, klappe diesen auf, ziehe Kopfhörer an und lege los mit dem wilden Tippen.

Bei meinem Gegenüber kommt in diesem Moment meist Hektik auf. Oha.. sie benutzt ein Teil des Tisches! Zack und schon steht da ein anderer Laptop mir gegenüber auch auf dem Tisch. Der Deckel wird dann sooooo weit aufgetan, dass dieser meinen knapp berührt. Meist fein, aber die Ansage ist klar.

Oha.. bin ich über die Tischmitte getreten? Entschuldigung!

Es geht nicht lange und mein Gegenüber schaut mehr aus dem Zugfenster, als in den Bildschirm.


Die Kommunikation in den öffentlichen Verkehrsmitteln kann aber auch verbal und sehr angenehm verlaufen.


Ich liebe Geschichten von unterschiedlichen Menschen.

Daher passiert es mir immer wieder, dass ich mich mit mir bis dahin unbekannten Menschen, in Gesprächen wiederfinde. Ob Frauen oder Männer, oberflächliche Pendler Themen oder auch lebensbewegende Themen. Ob über Kindererziehung oder die heutige Jugend, oder auch über Politisches und Geschichtliches sprach ich mit Mitfahrer:innen.


An ein Gespräch mit einer Kundenbegleiterin erinnere ich mich sehr gerne zurück.

Zu Beginn meiner Reise zeigte ich mein Ticket, sie wünschte einen schönen Tag und ich dachte, das war‘s mit der Ticketkontrolle. Ungefähr anderthalb Stunden später kam die gleiche Frau wieder vorbei und fragte nach Tickets bei den zugestiegenen Fahrgästen. Dabei schaute sie mich an und sagte: „Hend sis nid scho mal zeigt?“ Ich antwortete etwas erstaunt: „Ja.“

Unglaublich, dass sie sich an Fahrgäste, anderthalb Stunden nach einem kurzen Hallo und danke fürs Billett zeigen, erinnert. Und - korrigiert mich, wenn ich falschliege - nein ich bin jeweils nicht so auffällig angezogen oder sonst was, dass es einfach wäre, mich wieder zu erkennen.


Telefongespräche, in welche ich nur als Zuhörerin verwickelt werde, erlebe ich meist als wortkarg, selbstdarstellend oder einfach laut.

Einmal telefonierte jemand in solch einer Lautstärke, dass sich immer mehr Menschen nach geduldigen 20 Minuten umdrehten, Grimassen zogen und die Faust im Sack ballten, wo sie dann auch kleben blieb.


Selbstdarstellende Leute erklären mehr den Mitfahrern, als der Person am Telefon, wer sie sind und was sie alles besitzen. Dabei schweift der Blick, ganz unauffällig, also wirklich unauffällig im Zug umher, der Arm ist dabei meist aufgestützt, dass der Ellbogen nach oben schaut, wobei die Zunge etwas zwischen Zähne und Lippe eingeklemmt ist.


Von anderen Telefonierern höre ich nur „ja“, „nein“ oder „OK, tschüss.“


Wie geht es dir beim ÖV fahren?


Was macht es mir dir, wenn Menschen laut telefonieren im Zug, Bus oder wo du dich grad befindest? Bist du eher der fäusteballende Typ, stört es dich gar nicht oder sagst du der Person etwas?


Magst du von deinen Pendler-High- oder Lowlights erzählen?

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